E-Commerce-Code: Das Kennzahlenmodell für Onlineshops

Betriebswirtschaftliche Kennzahlen sind die Basis für viele wichtige unternehmerische Kalkulationen und Entscheidungen. Eine Auswahl relevanter KPIs für E-Commerce-Unternehmen haben wir in unserem Blog-Artikel „Knallhart kalkuliert“ vorgestellt. Kein Online-Shop-Betreiber kommt umhin, sich mit Warenkorbgrößen, Retourenquoten und Conversion Rates auseinanderzusetzen – doch wie entsteht aus den verschiedenen Kennzahlen eine Strategie? Und welche Kennzahlen bieten im E-Commerce den größten Hebel für Optimierungen?

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Klassische Kennzahlen-Modelle stoßen im E-Commerce schnell an ihre Grenzen. Der Grund: E-Commerce ist deutlich komplexer als der stationäre Handel. Die gängigen KPIs der Kosten- und Leistungsrechnung reichen deshalb nicht aus, um alle relevanten Erfolgsfaktoren in die Unternehmenssteuerung zu integrieren.

Für eine ganzheitliche Betrachtung müssen die KPIs aus dem Controlling mit Kennzahlen aus dem Online-Marketing verknüpft werden, denn die wechselseitigen Abhängigkeiten sind bei Online-Shops erfahrungsgemäß groß. Beispiel: Isolierte Maßnahmen zur Erhöhung des Deckungsbeitrags (Erlös minus variable Kosten) führen nicht zum Unternehmenserfolg, wenn das Online-Marketing überdurchschnittlich teuer ist. Umgekehrt kann ein Online-Shop auch mit niedrigen Deckungsbeiträgen erfolgreich wirtschaften, wenn das Online-Marketing besonders effizient arbeitet.

KPI-Strategie für E-Commerce-Unternehmen

Die Kernfrage ist immer: Wann arbeitet ein E-Commerce-Unternehmen kostendeckend oder noch besser profitabel? Der E-Commerce-Kanal muss einen Anteil zur Deckung der Gemeinkosten leisten – bei einem Pure-Player 100 Prozent, bei Multichannel-Unternehmen je nach Anzahl und Gewichtung der Absatzkanäle einen entsprechend großen Anteil. Das E-Commerce-Institut Köln entwickelte ein Kennzahlenmodell speziell für den Online-Handel – den sogenannten „E-Commerce-Code“, der alle wesentlichen Parameter der Wertschöpfung im E-Commerce einbezieht:

  • Impressions (I): Nachfrage-Potenzial
  • Click-Through-Rate (CTR): Qualität der Online-Marketing-Maßnahmen
  • Conversion Rate (CR): Attraktivität des Sortiments und Usability des Shops
  • Klickpreis (CPC): Wettbewerbsintensität
  • Verkaufspreis (VK): Zahlungsbereitschaft der Zielgruppe („Attraktivität des Produkts“)
  • Einkaufspreis (EK): Verhandlungsstärke und Machtposition im Einkauf / in Verbindung mit dem Verkaufspreis außerdem ein Indikator für die Wertschöpfung

E-Commerce-Code – Schritt für Schritt erklärt

Ein bisschen Rechnen können wir Ihnen leider nicht ersparen, denn Sie benötigen eine Formel, die diese Faktoren miteinander verknüpft. Um nicht in die roten Zahlen zu steuern, geht es immer um den Ertrag, den der Onlineshop erwirtschaften muss. Mindestziel ist die Kostendeckung bzw. die Gewinnmarge:

Deckungsbeitrag = Umsatz – direkte Kosten

Controlling-Hintergrundwissen: Es gibt verschiedene Formen der Deckungsbeitragsrechnung , je nachdem welche Kosten berücksichtigt werden. Für E-Commerce-Unternehmen macht der Deckungsbeitrag II Sinn, der auch Fixkosten berücksichtigt, die sich einzelnen Produkten oder Produktgruppen zuordnen lassen – in unserem Fall die Online-Marketing-Kosten einer bestimmten Kampagne.

 

Deckungsbeitrag II = Umsatz – (Anschaffungskosten + direkte Marketingkosten)

Der Umsatz im Online-Shop ergibt sich durch die Conversions (C) multipliziert mit dem Verkaufspreis (VK): Umsatz = Conversions (C) x Verkaufspreis (VK) Eingesetzt in unsere Formel:

 

Deckungsbeitrag II = (C x VK) – (AK + MK)

Die Conversions ergeben sich aus den Seitenbesuchen und der Conversion Rate. C = Seitenbesuche x Conversion Rate (CR) Die Seitenbesuche wiederum sind ein Produkt aus den Impressions und den Click-Through-Rates, also C = I x CTR x CR Daraus folgt: Umsatz = I x CTR x CR x VK Eingesetzt in unsere Formel:

 

Deckungsbeitrag II = (I x CTR x CR x VK)  (AK + MK)

Sieht kompliziert aus, ist aber eine recht einfach zu berechnende Formel aus KPIs, die in jedem Online-Shop mit entsprechender ERP-Software per Mausklick vorliegen. Auch die direkten Online-Marketing-Kosten lassen sich zumindest für SEA über gängige Indikatoren darstellen, hängen sie doch von den Seitenbesuchen, der Klickrate und dem Klickpreis ab und sind problemlos Webanalytics zu entnehmen. MK = I x CTR x CPC Eingesetzt in unsere Formel:

 

Deckungsbeitrag II = (I x CTR x CR x VK) – (I x CTR x CPC + AK)

Wir ersparen Ihnen die mathematischen Regeln, aber durch Umformung lässt sich die Formel folgendermaßen vereinfachen:

 

Deckungsbeitrag II = = I x CTR (CR x VK – CPC) – AK

Wir wissen auch, dass die Anschaffungskosten ein Produkt des Einkaufspreises und der verkauften Menge sind. Die verkaufte Menge ergibt sich aus den Impressions, der Klickrate und den Conversions, also I x CTR x CR. Alles entsprechend kombiniert:

 

Deckungsbeitrag II = I x CTR (CR x VK – CPC) – (I x CTR x CR x EK)

Um wirtschaftlich zu arbeiten, muss der Deckungsbeitrag II die Gemeinkosten decken. Es gilt also: Deckungsbeitrag II = Gemeinkosten (GK) Eingefügt in die Formel:

 

GK = I x CTR (CR x VK – CPC) – (I x CTR x CR x EK)

Und weiter zusammengefasst und vereinfacht:

 

GK = I x CTR [CR (VK – EK) – CPC]

Das ist der E-Commerce-Code!

 

Wie hilft Ihnen der E-Commerce Code?

Auch wenn die Formel sicherlich eine vereinfachte Sicht darstellt, liefert sie doch eine gute Orientierung für die Analyse der Wirtschaftlichkeit sowie wertvolle Impulse für den Effekt von Optimierungsmaßnahmen, indem Sie die Variablen exemplarisch verändern. So können Sie verschiedene Szenarien durchspielen und Ihre Planung mathematisch fundiert verbessern.

Ein Zahlenbeispiel 

Für eine neue Produktkategorie soll der Produktpreis kalkuliert werden. Die Keyword-Recherche ergibt eine mögliche Reichweite von 200.000 Impressions pro Monat. Der durchschnittliche CPC wird voraussichtlich bei 80 Cent liegen und die Click-Through-Rates vergleichbarer Kampagnen liegt bei 5 Prozent. Im Durchschnitt erreicht der Shop eine Conversion Rate von 3 Prozent. Der E-Commerce-Code ergibt folgende Ausgangsformel: GK = 200.000 x 0,05 x (0,03 x (VK – EK) -0,8 Euro)

Der Online-Händler könnte nun beispielsweise zwei Szenarien berechnen: 

Szenario 1: Der Händler muss sich beim Verkaufspreis am Wettbewerb orientieren – dieser liegt bei 50 Euro. Wie hoch darf der Einkaufspreis also maximal sein, um die Gemeinkosten (anteilig für die Periode) zu decken? Annahme: Die Gemeinkosten pro Monat liegen bei 1.000 Euro. 1.000 = 10.000 (0,03 x (50 – EK) – 0,8 Euro) Ausgerechnet ergibt sich hier ein Einkaufspreis von maximal 20 Euro. 

Szenario 2: Der Händler weiß, dass er beim Einkaufspreis nicht unter 25 Euro kommt und muss einen Verkaufspreis kalkulieren, der die Gemeinkosten (wie oben) deckt. 1.000 = 10.000 (0,03 x (VK – 25 Euro) – 0,8 Euro) Ausgerechnet ergibt sich hier ein Verkaufspreis von mindestens 55 Euro – wie in Szenario 1 also eine Marge von 30 Euro.

Doch der E-Commerce-Code kann noch mehr. Ergeben sich aus der Kalkulation von Einkaufs- oder Verkaufspreisen Margen, die unrealistisch sind, kann die Formel genutzt werden, um die anderen Faktoren zu optimieren. Sie können die Formel nach jedem Parameter auflösen und so analysieren, welche Veränderungen an welcher Schraube den größten „Erfolgshebel“ bieten.

So belegt die Formel unter anderem mathematisch, dass eine Verbesserung der Conversion Rate in den meisten Fällen deutlich zielführender ist als eine Erhöhung der Impressions. 

Setzen Sie doch einfach mal Ihre eigenen Zahlen aus Ihrem ERP-System ein! Sie können die Rechnung auch weiter verfeinern, indem Sie z.B. Versandkosten und Retouren mit integrieren.

(Quelle: E-Commerce-Institut Köln)